Das Holzmarkt 25 – Quartier
Das Stadtquartier Holzmarkt 25 entstand aus subkulturellen Zwischennutzungen am Spreeufer in Berlin Friedrichshain. Seit 2017 besteht es in genossenschaftlicher Selbstverwaltung. Gründungsidee für den Holzmarkt war es, der städtischen Masterplanung Mediaspree eine alternative Vision entgegenzusetzen, die das Spreeufer der Öffentlichkeit zugänglich macht und qualitativen und grünen Freiraum schafft. Die Bebauung sollte auf ein wirtschaftlich notwendiges Maß und auf sinnstiftende Nutzungen beschränkt werden.
Die architektonische Vollendung des Quartiers ist Gegenstand eines fortwährenden Aushandlungsprozesses. Der Planungsvorschlag zum Haus EINS versucht, die verschiedenen Belange (Öffentlichkeit an der Spree, qualitativer Uferstreifen, wirtschaftliche Notwendigkeiten, Kultur und Nutzungsanforderungen und das Planungsrecht) gerecht abzuwägen.
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Der Holzmarkt ist ein ca. 12.000 qm großes genossenschaftliches Stadtquartier am Spreeufer in Berlin Friedrichshain. Er ging aus der subkulturellen Zwischennutzung einer Konversionsfläche der landeseigenen BSR hervor. Kaum ein Projekt steht so beispielhaft für die Besonderheiten der jüngeren Berliner Stadtentwicklungsgeschichte mit ihren schwierigen Aushandlungsprozessen.
Gelegen im ehemaligen Grenzgebiet, blieb das Grundstück an der Holzmarktstraße jahrzehntelang unbebaut und wurde nach dem Fall der Mauer zu einer berlintypischen urbanen Leerstelle im Herzen der Stadt. Wie so oft, waren es auch hier zunächst die Pioniere der Subkultur, die sich die Brachfläche als Möglichkeitsraum aneigneten. So entstand ab 2003 die Bar25, die zu einem vielbeschriebenen Kulminationspunkt der Berliner Clubkultur werden sollte.
Doch das gewachsene Biotop urbaner Freiräume am Spreeufer wurde durch die städtische Masterplanung „Mediaspree“ zur Disposition gestellt. Etliche der inzwischen weltbekannten Institutionen der Subkultur mussten ihren Platz räumen – so auch die Bar25. Schon zuvor war eine Debatte um die Liegenschaftspolitik Berlins und die Entwicklung des Spreeufers entbrannt. Ein Bündnis aus Zivilgesellschaft und Kulturschaffenden forderte 2008 in einem Bürgerentscheid ein „Spreeufer Für Alle“ und fand damit breite Zustimmung. Das Votum hatte jedoch letztlich vor allem symbolischen Charakter, da bereits Planungsrecht geschaffen war und das Land erhebliche Entschädigungszahlungen fürchtete.
Doch ist es diese Bewegung gewesen, die ermutigte, eine Alternative nutzergetragener Stadtentwicklung vorzuschlagen. Der Versuch der Zwischennutzer, das Land davon zu überzeugen ein Erbbaurecht für das Grundstück zu vergeben, scheiterte 2012 noch an Vorgaben der Finanzverwaltung. Der inzwischen gegründeten Holzmarkt 25 eG und der Genossenschaft für urbane Kreativität, blieb nur die Wahl, sich am Bieterverfahren zum Höchstpreis zu beteiligen.
Mit dem Konzept für ein „urbanes Dorf“ mit öffentlichem Spreeufer, gelang es schließlich eine nachhaltige Pensionskasse, die Stiftung Abendrot, zu überzeugen, das Grundstück zu erwerben und dem Holzmarkt im Erbbaurecht zu überlassen. Die Maxime, mehr Wert auf Nutzung als auf Besitz zu legen, überzeugte hunderte Genossenschaftsmitglieder, das notwendige Eigenkapital zu stellen – mit der Umweltbank als Finanzierungspartner. Schrittweise sollte nun ein Quartier geschaffen werden –ohne den Vermarktungsdruck der Immobilienwirtschaft. Maßgabe war es dabei von Beginn an (und auch während der Bauphasen), das Grundstück unter der Prämisse größtmöglicher Zugänglichkeit zu entwickeln. So entstand zunächst ein öffentlicher Park am Ufer. Kulturelle Zwischennutzungen der Brache schufen die Basis für die Planung und Finanzierung der Neubauten.
Das für den Holzmarkt notwendige Baurecht bedurfte zahlreicher Abweichungen vom geltenden Bebauungsplan, der eine vielfach höhere und dichtere Bebauung unmittelbar am Ufer vorsah. Der ursprüngliche Plan des Bezirks, die Ziele des Bürgerbegehrens aufzunehmen und öffentliche Freiflächen und eine deutlich reduzierte Baumasse auch planungsrechtlich abzusichern, wurde bislang nicht umgesetzt.
Heute ist das Quartier verwirklicht und mit dem Aufgreifen lokaler Infrastrukturbedarfe auch ein Stück Urbanität entlang der Narbe zwischen Ost- und West geschaffen. Identität stiftet hier noch immer die Clubkultur, doch sie ist nun integrierter Teil eines neu geschaffenen Mikrokosmus, der sich zur Stadt öffnet. Ziel der Genossenschaft war es, der Masterplanung Mediaspree eine Vision entgegenzusetzen, die die Kultur der Zwischennutzung fortschreibt, aber dabei gleichzeitig auch dem zivilgesellschaftlichen Anspruch an ein öffentlich zugängliches und qualitativ gestaltetes Ufer gerecht wird. Mehr als die Hälfte der Grundstücksfläche wurde dafür in einem Städtebaulichen Vertrag der Öffentlichkeit gewidmet und gemeinsam mit einem Bürgerverein aufwendig begrünt.
Das architektonische Programm der „Hallen und Hütten“ sieht eine solide Infrastruktur als Rohbau mit Industriestandard (Hallen) vor, die flexible An‑, Auf- und Umbauten in Holzbauweise zulassen. So konnten leistbare Möglichkeitsräume für unterschiedlichste Nutzer*innen entstehen. Erschlossen wird das autofreie Quartier mit einem Uferwanderweg und zahlreichen begrünten Pfaden. Brücken, Laubengänge und Terrassen erschließen die halböffentlichen Bereiche auf den Etagen der Häuser, verbinden die einzelnen Gebäude und schaffen Gemeinschaftsflächen für die unterschiedlichsten Nutzer*innen. Die Versorgung des Quartiers erfolgt unterdessen durch ein unterirdisches Wegesystem und lässt die öffentlichen Flächen damit unbeansprucht.
Seit der Einweihung im Mai 2017 haben sich auf dem Holzmarkt mehr als 100 Kreativschaffende in Studios, Werkstätten und Ateliers angesiedelt. In einer multifunktionalen Halle (dem Säälchen) finden Konzerte, Theater und Kongresse statt. In teilweise festen- und teilweise temporären Räumen ist Platz für Lesungen, Ausstellungen und kleinteiligen Einzelhandel. Eine 10 m hohe Halle bietet einem jungen Artistenkollektiv ein Wohnzimmer. Um den Marktplatz herum, haben eine Musikschule, eine Kita, mehrere gemeinnützige Projekte und ein Verlag ihr zu Hause gefunden. Mehr als 400 Menschen arbeiten auf dem Holzmarkt – tagsüber im Café oder in der Nacht im Club. Im Restaurant, auf den Wochenmärkten oder beim Blick aufs Wasser begegnen sich Nutzer*innen, Nachbar*innen und Besucher*innen.
Ziel der räumlichen Konfiguration wie auch der Auswahl der Nutzer*innen ist ein größtmögliches Maß an synergetischen Wirtschaftskreisläufen. So liefert der Bäcker sein Brot an das Restaurant und die Patisserie den Nachtisch fürs Catering im Säälchen. Das Studio 25 steht allen Musiker*innen und Künstler*innen zur Verfügung. Die dort aufgenommenen Songs finden dann bei Konzerten im Säälchen oder im Club ihr Publikum. Flexible Raumnutzungsmodelle, Sharing-Modelle und Quartierssynergien ermöglichen nicht zuletzt auch eine breite Nutzungsvielfalt, bei der die maximale Ertragskraft kein determinierender Faktor ist.
Von Beginn an wurden einige der experimentellen Entwicklungsansätze auf dem Holzmarkt durch wissenschaftliche Kooperationen begleitet – besonders die Leitidee im Quartier und ressourcenschonend zu denken. So hat der Holzmarkt mit Unterstützung der Deutschen Bundesstiftung Umwelt ein nachhaltiges Energiekonzept entwickelt und auch das Bauen mit Holz und System sowie das „Shared Building“ untersucht und dokumentiert. Die Ergebnisse wurden 2017 auf international besetzten Symposien vorgestellt. Holz ist nicht nur Namensgeber, sondern auch bevorzugter Baustoff im Quartier. Der temporäre Club ist vollständig aus Holz errichtet und sichert durch eine Raum-in-Raum Konstruktion den Lärmschutz und so die kulturelle Nutzung auch bei herannahender Wohnbebauung. Auf einem noch unbebauten Teil des Grundstücks plant die Genossenschaft ein Holzhybridhaus, in das der Club zukünftig dauerhaft integriert wird. Clubs im Neubau ist ein Kooperationsprojekts mit der TU Berlin und der Clubcommission.
Im Jahr 2020 ist die Kulturszene besonders von der Coronakrise getroffen worden. Doch hat sich gerade am Holzmarkt gezeigt, dass eine nutzergetragene Besitzstruktur im Genossenschaftsverbund ein hohes Maß an Resilienz schafft. Flexible, multifunktionale Raumstrukturen mit großzügigen Freiflächen ermöglichen eine verantwortliche Nutzung – auch in Pandemiezeiten.
Mit dem Holzmarkt ist ein Experiment begonnen, das mögliche Rezepte gegen Flächenkonkurrenz und Verdrängung von gewachsener Kultur aus der Innenstadt bieten kann.
Modellhafte Darstellung der unterschiedlichen Planungsvarianten. Der Vorschlag für das Haus EINS zieht die Baumasse auf ein schmales Baufeld am Bahnviadukt zusammen. So kann ein freies Ufer geschaffen werden. Gegenüber dem geltenden Planungsrecht wird auf erhebliche Teile der baulichen Höhe und Masse verzichtet.
Kennzahlen der unterschiedlichen Planungsvarianten. Der Vorschlag für Haus EINS sieht die geringste Geschossfläche, ein Maximum an öffentlicher Uferfläche und dafür einen Kompromiss in der baulichen Höhe vor.
HAUS EINS
Form und Funktion von HAUS EINS sind das Ergebnis eines jahrelangen Lernprozesses beim Aufbau und Betrieb des Holzmarkts. Statt massigen Fünfgeschossern am Wasser wie ursprüglich geplant entsteht ein schlanker Turm, der das Quartier nach oben erweitert, um unten Platz zu lassen. Raumgebend für Gewerbe, Kultur & Nachbarschaft. Sinnstiftend für unser Quartier und die Stadt.